Seit vielen Jahren viele Lehrstellen unbesetzt
Die Arbeitsverwaltung erwartet erstmals seit Jahren ein rechnerisches Defizit an Lehrstellen. So lag die Gesamtzahl der gemeldeten betrieblichen Lehrstellen im Juli nach Angaben der Bundesanstalt für Arbeit mit 509.900 um sieben Prozent unter der vom Juni 2001. Gleichzeitig hatten 665.600 Bewerber die Arbeitsämter bei der Vermittlung eines Arbeitsplatzes eingeschaltet. Dies sind vier Prozent weniger als im Vorjahr. Beim Handwerk stößt diese Äußerung auf Verwunderung führt der Leiter des Geschäftsbereiches Aus-, Fort- und Weiterbildung der Hand-werkskammer Ulm, Rolf Schäfer aus: „Im Handwerk sind seit Jahren Tausende Lehrstellen unbesetzt und zwar vor allem im Bau und Ausbau, sowie in den Nahrungsmittelgewerken.“
Nicht nur in strukturschwachen Regionen im Osten fehlt seit Jahren Nachwuchs. Immer mehr Betriebe des Handwerks haben es aufgegeben, ihre freien Lehrstellen den Arbeitsämtern zu melden. Den lehrstellensuchenden Jugendlichen empfiehlt die Handwerkskammer Ulm sich direkt bei Handwerksbetrieben zu bewerben und dort vorzustellen, sowie sich bei den örtlichen Kreishandwerkerschaften, bei den Innungen und bei der Handwerkskammer Ulm beraten zu lassen. Die Handwerkskammer Ulm bittet die Handwerksbetriebe, trotz der fehlenden Bewerbernachfrage in den vergangenen Jahren, alle ihre freien Lehrstellen den örtlichen Arbeitsämtern zu melden: „Denn im Rückzug anderer Wirtschaftsbereiche aus der Ausbildung liegt eine immense Chance für das Handwerk den benötigten qualifizierten Nachwuchs aus einem größeren Angebot rekrutieren zu können“, führt Geschäftsbereichsleiter Rolf Schäfer aus.
Nachwuchsmangel im Handwerk
Das Baden-Württembergische Handwerk hat zu wenig qualifizierten Nachwuchs. Auch wenn in den nächsten Jahren noch geburtenstarke Jahrgänge anstehen und damit auch die Zahl der Schulabsolventen steigt, werden diese in absehbarer Zeit von relativ schwachen Geburtsjahrgängen abgelöst. Dieser Rückgang hat zur Folge, dass für die unterschiedlichsten Bildungs- und Ausbildungsangebote immer weniger Jugendliche zur Verfügung stehen werden. Aus einer „Überschusssituation“, in der Ausbildungsbetriebe ihren Nachwuchs aus zahlreichen Bewerbern auswählen konnten, wird in Zukunft eine „Knappheitssituation“ werden.
Schon seit Anfang der 90er Jahre geht die Zahl der Bewerber um Ausbildungsplätze im Handwerk zurück. Vor allem im Metallhandwerk und im Ausbauhandwerk können nicht mehr alle angebotenen Ausbildungsplätze besetzt werden. Diese Knappheitssituation aus demografischen Gründen wird sich noch verstärken und davon wird vor allem das Handwerk betroffen sein.
Nachwuchsmangel ist im Handwerk aber nicht nur aus quantitativen Gründen ein akutes Thema. Bereits jetzt häufen sich Klagen über die Qualität der Bewerber. Der Führungsnachwuchs des Handwerks ist ebenfalls gefährdet, da auch bei der Meisterausbildung ein sinkendes Interesse des Handwerkernachwuchses zu ver-zeichnen ist. Gleichzeitig suchen rund ein Drittel der selbstständigen Handwerksmeister in den nächsten Jahren nach einem Betriebsnachfolger.
Verschärft wird diese Situation dadurch, dass die Anforderungen in den Handwerksberufen im Zuge der technologischen Entwicklung steigen. Das Handwerk bietet zunehmend neben einfachen Tätigkeiten solche, die hohe Anforderungen an die technischen und sozialen Kompetenzen der Bewerber stellen.
Um in dem, wie es sich bereits jetzt abzeichnet, schärfer werdenden Wettbewerb um qualifizierten Berufsnachwuchs mithalten zu können, ist es für das Handwerk wichtig, die Kriterien zu kennen, die Jugendliche ihrer Berufswahl zu Grunde legen. Diese Entwicklung war Anlass für eine aktuelle Studie der Akademie für Technikfolgenabschätzung (TA-Akademie), die in enger Zusammenarbeit mit dem Baden-Württembergischen Handwerkstag und dem Wirtschaftsministerium in Ba-den Württemberg erstellt wurde.
Das Handwerk besser als sein Ruf
Nach dieser empirischen Untersuchung zur Problemlage des Nachwuchsmangels im Handwerk beurteilen die Lehrlinge ihre Handwerksausbildung positiv. Fast 90 Prozent glauben, dass sie das was sie während ihrer Ausbildung lernen, auch in Zukunft brauchen können. 84 Prozent bescheinigen ihren Ausbildern, dass sie sich Mühe geben und bei Bedarf alles erklären. 77 Prozent attestieren ihrem Ausbildungsbetrieb ein gutes Arbeitsklima und 74 Prozent beurteilen ihre Möglichkeiten sich weiterzuqualifizieren als gut. Ebenso groß ist der Anteil derer, die glauben nach ihrer Ausbildung auch übernommen zu werden.
Überbetriebliche Ausbildung
Gut wird auch die praktische Ausbildung in den Berufsbildungs- und Technologiezentren während der Lehrzeit von den Auszubildenden eingeschätzt. Inhalte, Materialien, Praxisnähe, Ausbilder und die Abstimmung mit der Ausbildung im Betrieb werden als zufriedenstellend eingeschätzt. Dabei fällt vor allem ins Gewicht, dass handwerkliche Techniken in den Berufsbildungs- und Technologiezentren gelehrt werden. Darüber hinaus ist für die Auszubildenden eine direkte Verknüpfung zur Praxis in diesen überbetrieblichen Ausbildungslehrgängen zu erkennen. Hier setzen dann die Kammern, Innungen und Kreishandwerkerschaften mit ihren Fort- und Weiterbildungsangeboten ein.
Fort- und Weiterbildung
Auch nach der Lehrzeit stehen den Auszubildenden zahlreiche Aufstiegsmöglichkeiten im Handwerk offen. So bietet die Handwerkskammer Ulm nicht nur ein Auslandspraktika für Junggesellen/-innen an, sondern fördert auch besonders begabte Junggesellen/-innen in Nachwuchskursen. Fortbildungsmaßnahmen wie zum Technischen Fachwirt und die Ausbilder-Eignungsprüfung bereiten auf den Weg zur Meisterprüfung vor und damit auf den Weg in die Selbstständigkeit. Aber auch nach der beruflichen Karriereleiter „Meisterbrief“ ist der Bildungsweg im Handwerk nicht zu Ende. Jungmeisterinnen und Jungmeister können sich im Studiengang Betriebswirt (HWK), der in Zusammenarbeit mit dem Institut für Technik der Be-triebsführung an der Universität Karlsruhe seit über 20 Jahren von der Handwerkskammer Ulm angeboten wird, auf Managementaufgaben im Mittelstand vorbereiten.
Diese Wege aufzuzeigen, dem potentiellen Handwerkernachwuchs nahe zu bringen, ist eine der vordringlichsten Aufgaben, der sich die Handwerkskammer Ulm stellen wird.
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